Es war eine aufregende Zeit für Bruce Springsteen und die E Street Band. Es gab gleich zwei TV-Auftritte, man spielte auf dem South By Southwest in Austin und im New Yorker Apollo Theater und brachte eine Welttournee zum neuen „Wrecking Ball“ an den Start. US-Kollege Andy Greene sprach in separaten Interviews mit Steven Van Zandt und Nils Lofgren über die neue E Street Band und das Weitermachen nach dem Tode von Clarence Clemons.
Ihr habt bisher fast immer Rehearsal-Shows gespielt bevor ihr auf Tour geht. Warum diesmal nicht?
Nils: Die Rehearsal-Shows waren schon immer Last Minute-Aktionen. Wir haben unsere eigenen Shows konzipiert und das führte dann dazu, dass wir diese Konzerte spielten. Aber diesmal haben wir wegen der neuen Platte Zugeständnisse gemacht. Wir haben die Grammys zugesagt, zwei Nächte bei Jimmy Fallon und die Apollo Show. Und dann kam noch die SXSW-Show dazu. Undplötzlich realisierten wir: „Mein Gott, wir müssen ja fünf verschiedene Shows vorbereiten!“ Bruce nimmt sich immer die Zeit, die Shows den besonderen Anlässen anzupassen, und wir mussten unsere Tourshow auch noch vorbereiten – also ging uns einfach die Zeit aus für weitere Shows zur Vorbereitung.
Steven: Es war interessant, bei der Apollo und der SXSW Show unsere eigenen Extreme zu erleben. Von der einfühlsamen Soulmusik im Apollo mussten wir um 180 Grad umschwenken zu einer Woody Guthrie-Feier auf dem SXSW. Es war interessant zu spüren, dass beides so in unserer Arbeit verwurzelt ist. Es erinnerte uns daran, wie abwechslungsreich die Identität der E Street Band an diesem Punkt ist – das ist Americana in all seinen Facetten.
Es war ein ganz schön kühner Schachzug mit der neuen Band und der neuen Show erstmalig im Apollo zu spielen, vor allem weil es auch noch live übertragen wurde …
Steven: Die erste Show gleich übertragen zu lassen, war echt ein Ding. Ich bin wirklich stolz auf uns, dass wir es geschafft haben. Und es war fast lupenrein, muss ich sagen. Denk dran, wir haben eine brandneue Bläserfraktion, bestehend aus fünf Personen. Wir arbeiten immer noch an den Bläserparts. Wir arbeiten auch immer noch an den Gesangparts mit den Sängern. Wir haben eine Reihe von neuen Leuten dabei. Ich hab es für selbstverständlich genommen, doch sie waren wirklich aufgeregt. Aber sie haben einen sehr guten Job gemacht.
Wir haben eine Menge Zeit damit verbracht, über die Show nachzudenken und zu diskutieren. Die Bläser-Fraktion war eine gute Antwort auf die unbeantwortbare Frage: „Wie können wir Clarence Clemons ersetzen?“ Gar nicht. Ganz simpel. In der gleichen Art, in der du Danny Federici ersetzt. Du tust es nicht. Du hast stattdessen jemand anderen, der diese Parts spielt, aber du musst etwas anders machen, du musst es in eine neue Form bringen, von dem was es war. Es wird nicht das Gleiche sein.
Wann habt ihr mit den Proben begonnen?
Nils: Es ging hin und her, aber wir kamen das erste Mal in der zweiten Januarwoche zusammen. Wir mussten uns klar machen, was vor uns lag, was wirklich eine Menge war, und uns Zeit nehmen, um zu experimentieren, den Dingen ihren Entwicklungsraum zu lassen. Da waren so viele Veränderungen. Natürlich, die größte Veränderung von allen ist Clarence, was ein schrecklicher Verlust ist. Ich war 28 Jahre in der Band, und ich bin mir sicher, es ist richtig, wenn ich sage, dass die Band nie mit dreieinhalb Alben voller neuem Material auf Tour war. Als Bruce das „Darkness On The Edge Of Town“-Paket veröffentlichte, waren da 23 unveröffentlichte neue Songs, ohne dass danach eine Tour stattfand. Und dann waren da elf neue Songs. Das ganze Material ist wirklich wertvoll und großartig, und wir haben es nie in unsere Show integriert, was inzwischen heißt, dass da hunderte neue Songs sind, die wir in über zwei Jahren nie präsentiert haben. Es war ein abnormales Maß an neuem Material, das verbreitet werden wollte. Ein gigantisches, wundervolles Puzzlespiel der Musik.
Steven: Normalerweise fangen wir mit den Proben zwei Wochen vor der ersten Show an, schmeißen ein paar Ideen für die Show durcheinander, proben vielleicht so sechs Mal. Jede Tour hat ihre eigene Energie, und das Schreiben ist das Skript für die Tour. Es ist wie eine Broadway Show oder ein Film. Du musst mit dem Skript anfangen, und das ist das jeweils neue Album für uns. Wir waren niemals eine sonderlich nostalgische Band. Jedes Mal wenn wir rausgehen, sagen wir etwas neues, etwas, das zu der Zeit in Bruces Kopf vorgeht. Diese Mal haben wir, anstelle wie sonst fünf bis sechs Tage, zehn oder zwölf Mal geprobt. Wir haben bestimmt 40 Bläser-Parts. Das ist eine Menge Arbeit, alleine schon diese Parts auszuarbeiten, weiter daran zu feilen und wirklich in die Details der Arrangements zu gehen, was ich natürlich auch wirklich liebe – Bruce ist auch wirklich gut darin.
Das war es, was da passiert ist. Zudem mussten wir auch das neue Album integrieren, es anpassen – und das in diesem Fall auch noch ein bisschen mehr, weil es ja ein Soloalbum war. Das ist auch das erste Mal so gewesen, dass Bruce mit E Street Band nach einem Soloalbum auf Tour geht. Aber es ist gut, und wir hatten das ganze Album in zwei Tagen umgesetzt. Und dann fängst du an, Ideen in die Runde zu schmeißen und ältere Sachen wieder rauszuholen. „My City Of Ruins“ spielt nun eine Hauptrolle in der Show, zum absolut ersten Mal. Es war immer ein emotionaler Song, manchmal eine Zugabe. Dieses Mal kam es jedoch dazu, dass er nun eine völlig andere und zentrale Rolle spielt.
Das ist die schwierigste Aufgabe überhaupt. Wie thematisiert man Clarence und Danny? Wie spricht man das an? Du redest mit zehn verschiedenen Leuten, und die haben zehn verschiedene Ideen. Aber es ist wirklich nicht einfach. Du willst da etwas machen, das wirklich, wirklich emotional ist, und zur gleichen Zeit willst du ja nicht, dass die Show eine Beerdigung wird. Du möchtest sichergehen, dass die Show das Leben feiert. Das ist wirklich heikel, eine wirklich enge Gradwanderung. Und da kommt Bruce mit diesem Rap – es ist verdammt großartig und so perfekt. Ich bin in Ehrfurcht erstarrt. Dieser Kerl inspiriert mich noch immer nach verdammten 45 Jahren. Ich dachte: „Jesus Christ, das ist so verdammt gut, so wichtig.“ Es ist ein solch großer Moment in der Show … Es ist wahrscheinlich der beste Tourstart jemals, ehrlich.
Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwer war, das erste Mal ohne Clarence auf die Bühne zu gehen.
Nils: Das erste Mal, das mich am härtesten traf, war bei den Grammys. Ich stand da und niemand rechts neben mir. Es hat mich voll erwischt. Da ist jemand, den ich den Rest meines Lebens vermissen werde, aber ich liebe es noch immer zu spielen, und es nimmt den Songs nichts von ihrer Macht für die Band.
Steven: Es ist sehr emotional für mich, ohne Clarence auf die Bühne zu gehen, und das wird es immer sein. Ich kriege hin und wieder auch immer noch dieses Gefühl bezüglich Danny. Ich gucke rüber und sage: „Oh ja, Danny ist nicht länger bei uns …“ Das wird sich nie ändern. Deshalb glaube ich: Je mehr Leute auf der Bühne stehen, desto mehr hilft es. So mehr sich die Anordnung erneuert, so mehr erleichtert das unsere Schmerzen. In anderen Worten: Du versuchst nicht, sie zu ersetzen, sondern du machst etwas Neues. Über die Jahre, seitdem wir 1965 angefangen haben, erlebst du eine Menge solcher neuen Strukturen. Jetzt ist es wieder eine neue. Es ist, als würdest du in einer neuen Band spielen, in einem gewissen Sinne, auch wenn ein Großteil der Band immer noch hier ist.